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20.11.2016

Doppel-Review "Kubo and the two Strings" und "Findet Dorie"


Der große Animationsfilm-Showdown – Doppel-Review

Kubo vs. Findet Dorie!!!!


Studio Laika vs. Pixar – zwei der letzten ganz Großen. Zwei Animationsfilmstudios, die sich am ehesten noch gegen Trends behaupten und eigenen Ideen nachjagen können. Laika als eines der letzten Studios, das im ganz großen Stil auf Stop-Motion setzt versus Pixar, das es zwar mit Digitaltrick einfacher hat, weil man sozusagen auf einer Welle mitschwimmen kann – allerdings ist es auch Pixar, das diese Wellen überhaupt schlägt.

Zunächst zu Kubo (and the two Strings): Ein sehr ambitioniertes Projekt, das eine japanische Geschichte erzählt und dabei auch sehr japanisch rüberkommt. Kubo kann zaubern und steckt familiär in ´n paar echt prekären magischen Verstrickungen. Um aus der Nummer rauszukommen, begibt er sich auf ´ne Fetch-Quest. Teilweise sehr exotisch und gekoppelt an japanische Mythologie – aber dennoch international zugänglich, denn unterm Strich isses ´ne Geschichte, die sich auf sehr bodenständige Grundthematiken wie Familie, Vertrauen, Entwicklung und so was runterbrechen lässt. In der Hinsicht wirkt´s teilweise schon sehr disney-artig. Das ist aber durchaus okay. Wenn man sich so weit aus dem Fenster lehnt, wie´s Laika gern macht, muss man dem normalen und eher jüngeren Zuschauer ein paar Anker zuwerfen.
Trotz all der Exotik isses vielleicht sogar noch Laikas allgemein zugänglichster Film. Nicht so grotesk, fordernd, düster oder schrullig wie seine drei Vorgänger. Was nicht heißt, dass Kubo dadurch auch besser ist, oder dass er´s generell allen Zuschauern super leicht macht.

Unterm Strich war´s ein guter Film, aber leider auch nur das.
Dass der Film atemberaubend gemacht ist und die Stop-Motion-Technik mal wieder alles in den Schatten stellt, was man bisher gesehen hat, ist bei Laika eh Standard.
Schade find ich allerdings angesichts des immensen Aufwands, dass die Geschichte ´ne Spur zu banal geraten ist. Bei Paranorman, den ich wohl auf Platz 1 der Laika-Filme setzen würde, war das schon mein wesentlicher Kritikpunkt, der den Film von Perfektion getrennt hat. All die Kreativität im Detail, die zuweilen sogar erstaunlich subversive und mutige Story die interessanten Figuren … aber die Teile sitzen noch nicht perfekt aufeinander. Und Laika hätte diese finale Perfektion verdient.
Kubo war stattdessen wieder ein Stück weiter davon entfernt als Paranorman.
Das Pacing der ersten Hälfte des Films war zu lasch. Wenig Spannung, wenig Dynamik. Die zweite Hälfte legt dann einige Schippen drauf und zur Halbzeit wird man mit einer Wahnsinns-Kampfszene auf einem Schiff belohnt, die allein schon den restlichen Film rechtfertigt. Drumrum gibt´s viel Standard. Schablonen-Figuren, blasse, eindimensionale Bösewichte, einen viel zu formelhaften Aufbau der Akte und eine Aneinanderreihung von Twists, die man leider zum Teil schon im Trailer gerochen hat. Dennoch ist die Schlussnote des Films mutig und hätte weitaus dümmer und gefälliger gestaltet werden können. Aber der Weg bis zu Ende hätte mehr Melodie vertragen können. Mehr pfiffige Skript-Zauberei. Mehr als nur eine Fetch-Quest wie aus einem 80er-Jahre-Japano-RPG („Hey Kubo, verbring doch mal 80 % des Films damit, drei magische Rüstungsgegenstände zu finden.“). Mehr schlaue Verbindungen zwischen A und B als einfach nur Zauberei als immer wieder wirksamen Allzweckkleber zwischen die Szenen zu klatschen (Frag nicht, Kubo. Das ist halt Magie!“). Vielleicht noch ein paar Subplot-Bögen, ein paar mehr Pay-Offs. Die kleinen Schnörkel hier und da, die eine Geschichte außergewöhnlich und unvergesslich machen. Davon bitte beim hoffentlich nächsten Laika-Film mehr.

Zu Findet Dorie:
Ein sehr guter Film!
Und ja, tatsächlich vielleicht der am besten geschriebene Film des Jahres.
Da ich als Comicautor wahrscheinlich mehr auf Skripte achte als z.B. auf oberflächliche Schauwerte muss ich echt sagen, dass hier Pixar endlich mal wieder seine größte Stärke ausspielt: Verdammt gutes Storytelling.
Nach ein paar schwächeren Nummern (Merida, die Monster Uni und Arlo & Spot waren zu banal; Inside Out hat sein enormes narratives Potenzial nicht ausreichend abgeschöpft) hat man sich hier mal wieder heftigst rein ge-think-tankt und den Redaktionsraum anscheinend erst verlassen, als jedes Inhalts-Kieselsteinchen durch den Ideenstrom rund geschliffen war.
All das, was ich an Kubo als Kritik anbringen musste, macht Dorie genau richtig. Von der ersten Sekunde an erstellt der Film ein erstaunlich komplexes Gebilde aus meeresbiologischen Gesetzmäßigkeiten, Charaktereigenschaften von Haupt- und Nebenfiguren, Story-Feinheiten, Zeitebenen und sogar geographischen bzw. lokalen Gegebenheiten (mit Letzterem mein ich vor allem, dass viel damit gearbeitet wird, wie das Hauptsetting des Films sowie die direkte Umgebung genutzt wird, um Figuren in mehreren Gruppierungen von A nach B nach C usw. zu bringen). Und jeder auch noch so kleine Aspekt bekommt sein Pay-off. Und zwar schlaues Pay-off. Auf alle Details kann ich unmöglich eingehen, aber kurz gesagt: Keine Information wird verschwendet. So fühlt sich jeder Erfolg der Helden, jeder Gag, jeder Twist verdient an.
Wird ein Problem gelöst, dann weil man auf vorher Gelerntes zurückgreifen konnte.

Gags. Wie oft beschwer ich mich über das mittlerweile leider gängige Verständnis von Humor. Der desolate Zustand aktuell zeigt ja, dass die beliebtesten „Gags“ die sind, wo jemand was sagt und jemand anders darauf mit einem ulkigen, weil z.B. genervten Blick reagiert. Witze werden nicht mehr aufgebaut, haben keinen Mittelteil und keine durchdachte Pointe mehr. Stattdessen reicht es z.B. „Banana“ zu sagen, sich das Knie zu stoßen oder ein lustiges Pupsgeräusch zu machen. Dorie geht auch da den umständlichen Weg. Pay-off! Die Nemo-Filme wollen gar nicht primär lustig sein, was gut ist. Das sind erstaunlich fordernde, dramatische Stoffe, die aber nebenbei zuweilen witzig sind, weil sie sich ihren Humor gescheit erarbeiten. Klar stößt sich auch hier mal jemand den Kopf, oder ein Schwarm Möwen sagt lustig „meins“ und dann gibt´s da noch ein paar behinderte Tiere, die lustig gucken. Aber die sind noch nicht allein der Witz und dadurch peinlich, sondern sie sind Teile von größeren Zusammenhängen und dadurch vollwertige Puzzlestücke des narrativen Gesamtbilds. Keine Information wird verschwendet. Die Möwen erfüllen ihren Zweck, die behinderte Robbe und der behinderte Wasservogel mit den roten Augen erfüllen ihren Zweck.

Oberflächlich betrachtet isses ´ne drollige, leicht zugängliche Geschichte über Fische, die sich gegenseitig suchen und dabei auf lustige Figuren treffen und Action-reich Hindernisse überwinden. Im Detail ist das eine superkomplizierte Symphonie. Perfekt durchkomponiert.
Meine größte Angst war, dass Dorie keinen eigenen Film tragen kann. Teil 1 hatte mit den beiden Clownfischen zwei jeweils für sich genommen ausreichend starke Figuren, die beide viel Entwicklungspotenzial hatten und jeweils am Ende einen weiten Weg hinter sich bringen konnten – im mehrfachen Sinne.
Doch Dorie hat ja kaum Gedächtnisleistung. Wozu das also alles? Wenn sie sich zwischenzeitlich entwickeln sollte, vergisst sie´s doch eh wieder?
Und genau da setzt die eigentliche Kerngenialität des Films an. Man hat sich dieser extrem harten Herausforderung gestellt und sozusagen unter den Voraussetzungen eines Memento die Story gerockt. Dorie hat von allen Behinderten im Film (und ich betone dies, da Behinderungen ein Kernthema der Nemo-Filme sind) wahrscheinlich das größte Handycap – und wuselt sich doch bravourös durch. Sowie sich die Autoren bravourös durchwuseln. Kein einfach gestrickter Mary Sue-Charakter. Kein magischer Kompass, der immer den richtigen Weg weist. Ihr macht euch vielleicht gar keine Vorstellung davon, wie schwer so was zu schreiben ist.


Und noch was zum Vergleich mit Teil 1:
Dorie bildet eine sehr sinnvolle Fortsetzung. Die Hauptmotivation der Helden ist in beiden Filmen sehr ähnlich. Es geht drum, Familie wiederzufinden. Dabei einen Weg zurückzulegen und Hindernisse zu meistern. Das Setting bleibt vergleichbar, es gibt wie gehabt viele drollige, interessante Nebenfiguren.
Aber die beiden Filme können wunderbar koexistieren.
Es stimmt nämlich gar nicht, dass eine perfekte Fortsetzung den Vorgängerfilm in allen Belangen toppen muss. Wenn das passiert, wird der Vorgänger obsolet.
Stattdessen muss eine gute Fortsetzung dem Vorgänger einen gewissen Raum überlassen und sich neuen Raum erschließen.
Findet Nemo behält seinen Schwerpunkt auf der Reise bis zum Ziel, Findet Dorie überspringt den Part, verbringt dafür viel mehr Zeit am Zielpunkt.
Findet Nemo hatte seinen eigenen Pool an Figuren. Findet Dorie greift auf einige der Figuren zurück, stellt aber seinen eigenen, gleichwertigen Pool zusammen.
Zudem überlassen die beiden Clownsfische Dorie (sowie ihrem neusten Sidekick) im zweiten Teil ganz klar das Scheinwerferlicht.
Und als Bonus führt Teil 2 sogar in der Schlussszene (nach den Credits) einen Storystrang aus Teil 1 fort, mit dem man schon gar nicht mehr gerechnet hatte.

Bravo!

Jetzt muss ich noch Moana angucken, um zu urteilen, welcher der Animationsfilm des Jahres wird, aber ich denk, Disney macht sich´s mal wieder mit dem eigenen Tochterstudio selber schwer.

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